Die Nordmänner

Anfang des neunten Jahrhunderts ereignete sich auf der nördlichen Erdhalbkugel eine Klimakatastrophe.
Im Mittelamerika führte sie zu einer Dürreperiode, in deren Folge das riesige Reich der Maya unterging.
In Nordeuropa hingegen führte sie zu den schlimmsten und längsten Wintern seit 3000 Jahren. Die männliche Bevölkerung des Nordens zog daraufhin plündernd und brandschatzend durch ganz Europa.

Beutezüge der Wikinger


Normannischer Helm 
Sie suchten Irland, England, die deutschen Küstengebiete, Teile des heutigen Russlands und Polens, aber auch Spanien und Norditalien heim. Das Zeitalter der Wikinger war angebrochen.
Normannen
Mitte des neunten Jahrhunderts überfielen Wikinger Gebiete an der französischen Nordseeküste.
Es geschah aber nicht, was sonst in ganz Europa geschehen war. Die Nordmänner plünderten dieses mal nicht und zogen schnell wieder ab, sondern ließen sich nieder und gründeten einen neuen Staat auf französischem Boden.

Besonders bemerkenswert ist, dass die Normannen die Sitten und Gebräuche der einheimischen Bevölkerung annahmen. Sie heirateten einheimische Frauen und übernahmen die fremde französische Sprache. Dies geschah so rasch und radikal, dass die altnordische Sprache nach 100 Jahren fast völlig verschwunden war. Mit gleichem Eifer übernahmen sie die christliche Religion und erbauten Klöster und Kathedralen.
 
 

Rollo

Die Normandie

Durch den Vertrag von St.-Claire-sur-Epte mit Karl dem Einfältigen, König der Westfranken, wurde Rollo 911 zum ersten Herzog der Normandie. Er regierte 20 Jahre.
Ihm folgten sein Sohn Wilhelm Langschwert (bis 942), Richard der Furchtlose (bis 996), Richard der Gute (bis 1026), Richard III (bis 1027) und Robert der Prächtige (bis 1035).
Als Rollo starb wurden mehreren Klöstern große Schenkungen gemacht, damit die Mönche für Rollos Seelenheil beten. Ganz abgeworfen hatten die Normannen ihre Wurzeln aber noch nicht - und so wurden den alten Göttern hundert Gefangene als Blutopfer dargereicht.
 
 

Die Ritter

Für den geschichtlichen Werdegang am bedeu- tendsten war aber wohl, dass die Normannen die Kampfweise der Franken übernahmen und verfeinerten. Die moderne Kampf- und Waffen- technik, gepaart mit nordischer Strenge in Ausbildung und Kampf machte sie zur Supermacht ihrer Zeit.

Ritter1

Man baute ein riesiges Reiterheer auf. Dank langer Steigriemen standen die Reiter fast in ihren Sätteln, waren durch ein Kettenhemd und Langschild geschützt und bildeten mit ihren Lanzen eine effektive und tödliche Waffe.
Gleichzeitig stellten die berittenen Krieger, also Ritter (=Reitherren), die gesellschaftliche Elite.
Durch das Ältestenerbrecht waren jüngere Söhne gezwungen, sich einem Feudalherren unterzuordnen oder sich auf Feldzügen zu bewähren und ein eigenes Lehn zu erhalten. Das gesamte Land gehörte nach normannischem Recht dem Herzog, der es seinen treuen Gefolgsleuten als Lehn überließ. Die Lehnsleute mussten dem Herzog jederzeit eine bestimmte Anzahl gut ausgebildeter Ritter zur Verfügung stellen können.
 
 

Wilhelm

Wilhelm der Bastard

Im Jahr 1027 ließ Robert seinen Bruder Richard töten um Herzog der Normandie zu werden. Im selben Jahr zeugte Robert mit Herleve (bzw. Arlette), der Tochter eines Gerbers, einen unehelichen Sohn, den sie Wilhelm nannten. Doch Robert war nicht gewillt das Mädchen aus niedrigem Stand zu heiraten. Nachdem sie ihm eine Tochter geschenkt hatte, verheiratete er sie mit einem reichen Adligen (dem sie zwei weitere Söhne - Robert und Odo - schenkte).

 
Acht Jahre lang regierte der gewalttätige und charakterschwache Robert die Normandie. Dann kam er auf der Rückreise von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem ums Leben ohne einen legitimen Thronfolger gezeugt zu haben.
Zwar wurde der achtjährige Wilhelm offiziell als Thronfolger anerkannt und sein Großonkel übernahm die Regierungsgeschäfte, doch die Normandie versank für ein Jahrzehnt in politischem Chaos. Adlige und Teritorialherren versuchten ihre eigene Macht auszubauen und eigene Heere aufzustellen.
Nur eine kleine - jedoch treu ergebene - Gruppe erkannte ‘Wilhelm den Bastard’ als Thronfolger an. Unterstützt wurde Wilhelm auch von seinem Lehnsherren, dem westfränkischen König Heinrich I.. In Wilhelms Jugend wurden drei Mordanschläge auf ihn verübt, die er nur durch Glück überlebte. Mit 16 Jahren wurde Wilhelm von Heinrich zum Ritter geschlagen.
 
 

Wilhelm

Wilhelm der Eroberer

1047 schlug er das Heer seines Vetters Guy von Burgund, der ebenfalls Ansprüche auf den Thron erhob. Er bewies politische Weitsicht, als er die unterlegenen Adligen begnadigte und sie den Lehnseid auf seine Person schwören ließ. Ein Jahr später verbündete er sich mit König Heinrich gegen den Grafen von Anjou, der die Südgrenze der Normandie bedrohte.
 

Wilhelms Frau Matilde

 
Um 1050 heiratete er Matilde, die Tochter des Grafen Balduin V. von Flandern - und sicherte so die Nordgrenze der Normandie.
Die Ehe der beiden war in vielerlei Hinsicht ein Glücksgriff für Wilhelm. Matilde schenkte ihrem Ehemann nicht nur zehn Kinder, sie soll ihm auch eine kluge und umsichtige Beraterin gewesen sein.

 
König Heinrich wurde die Normandie schnell zu stark und so verbündete er sich mit dem einstigen Gegner Gottfried Martell, dem Grafen von Anjou. 1054 und 1058 überfielen sie die Normandie, wurden aber jedes Mal vernichtend geschlagen. Nach dem Tod der beiden Kontrahenten 1060 ging Wilhelm 1063 zum Gegenangriff über und eroberte 1063 Maine, das bis dahin zu Anjou gehört hatte. Damit war die Normandie nicht nur das größte, sondern auch das einflussreichste Herzogtum. Die Stellung Wilhelms als Führer der Normannen war unter seinen Adligen unumstritten und er war allgemein anerkannt. Die Tage von ‘Wilhelm dem Bastard’ waren vorbei.
 
 

Die Vorgeschichte der Eroberung Englands

In England herrschte seit dem Jahr 1042 Eduard, der wegen seiner Frömmigkeit auch Eduard der Bekenner genannt wurde. Seine Jugend hatte Eduard, Sohn des englischen Königs Aethelred, im normannischen Exil verbracht, denn von 1016 bis 1042 wurde das Land von dänischen Wikingern regiert.
1051 bestimmte der kinderlose Eduard Wilhelm zu seinem Nachfolger. Aber auch Harald Godwinson, der Graf von East Anglia, Wessex und Kent stellte Ansprüche auf den Thron. Als Eduard im Januar 1066 starb, ließ sich Harald am folgenden Tag zum König Englands krönen.

Über die Geschehnisse die sich zwei Jahre zuvor ereignet hatten gibt es zwei Versionen.

 
Die Angelsachsen behaupten, Harald sei nach einem Schiffbruch in der Normandie gestrandet und danach von Wilhelm zum Treueid genötigt worden.
Normannische Chronisten hingegen behaupten, König Eduard habe Harald in die Normandie geschickt, um ihn den Treueid gegenüber Wilhelm leisten zu lassen.
 

Haralds Schwur

Tatsache ist, dass Harald Wilhelm einen Treueid auf heilige Reliquien schwor ...
 
In der eigenmächtigen Krönung Haralds sah Wilhelm einen Treubruch und wandte sich Hilfe suchend an Papst Alexander II, der ihm seinen Segen, sowie die dreizackige Petersflagge gab, welche Wilhelm nach England tragen sollte. Dadurch machte er Wilhelms Feldzug gegen den Kontrahenten praktisch zum Kreuzzug. Ritter aus vielen Fürstentümern Frankreichs eilten zu Wilhelm, um diesen zu unterstützen.
 

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